Schilddrüsenüberfunktion bei der Katze


Häufig begegnen mir ältere Katzenherrschaften, von denen die Besitzer sagen, sie seien so unglaublich fit und immer agil, bei gutem Appetit. Manchmal kommt in dem Zusammenhang die Feststellung, dass die Katze recht viel redet und fordernd miaut oder laut schreit. Das nervt dann so manchen Halter. Bei näherem Hinsehen, besser gesagt, bei einem geriatrischen Blutbild, stellt sich dann heraus, dass der Schilddrüsenwert erhöht ist.  

Eine Schilddrüsenüberfunktion (SDÜ) was ist das eigentlich? 

Die Schilddrüse ist ein wichtiges Organ. Sie produziert Hormone, die unter anderem den Stoffwechsel und die Körpertemperatur steuern. Wenn die Schilddrüse viel zu viele dieser Hormone ausschüttet, eine sogenannte Hyperthyreose, feuert sie das gesamte Organsystem an – ein Motor, der ständig mit Vollgas gefahren wird. Eine unbehandelte Hyperthyreose kann zu verschiedenen anderen organischen Problemen führen. 

Wireden zwar oft davon, aber wo liegt die Schilddrüse überhaupt? Ganz einfach, unterhalb des Kehlkopfes. Rechts und links der Luftröhre befinden sich die beiden Schilddrüsenlappen, die normalerweise palpatorisch unauffällig, also nicht verdickt oder tastbar sind. Die kleineren Nebenschilddrüsen produzieren ein Hormon, das den Calciumhaushalt reguliert. Bei Katzen kommt es manchmal zu versprengtem, „ektopem“ Schilddrüsengewebe.

Was verursacht denn nun die Überfunktion der Schilddrüse?

Die Diagnose lautet in 70 Prozent „benigne multinoduläre adenomatöse Hyperplasie”. Dieser medizinische Fachausdruck steht für beidseitig gutartige Wucherungen. Kleine Knötchen auf den Schilddrüsenlappen führen zu einer Vergrößerung der Schilddrüse. Rund ein Drittel sind sogenannte einseitige autonome Adenome, gutartige knotige Tumore. Nur in rund zwei Prozent werden Karzinome, also bösartige Tumore festgestellt. 

Es gibt viele Untersuchungen und Studien zu möglichen Einflussfaktoren einer Schilddrüsenüberfunktion.  Diskutiert wurde schon über jodhaltiges Dosenfutter, bestimmte Chemikalien, die als Flammschutzmittel in Wohntextilien verwendet wurden, Antiparasitika oder Katzenstreu. Es gab auch die wieder verworfene Theorie, dass bestimmte Rassen weniger häufig betroffen sein sollen. Vermutlich gibt es aber nicht nur einen einzigen Verursacher, sodass es auch nicht nur eine Antwort auf diese Frage gibt.

Welche Katzen können von einer Schilddrüsenüberfunktion betroffen werden?

Typisch ist diese Erkrankung für ein etwas höheres Lebensalter. Ungefähr ab dem achten Lebensjahr tritt sie vermehrt auf. Rund zehn bis 20 Prozent aller Seniorenmiezen sind betroffen. Allerdings können in seltenen Fällen auch jüngere Tiere darunter leiden. 

Der erste Verdacht auf eine SDÜ

Die Katze frisst gut, ist munter und scheint fitter denn je. Erst wenn sie immer dünner wird und das Fell struppig aussieht, die Katze nachts unruhig umherwandert und ausdauernd schreit, kommt der erste Verdacht auf, dass etwas nicht stimmen kann. Viele Samtpfoten trinken auffällig viel und scheiden entsprechend viel Urin aus. Manche Katzen sind nicht nur unruhiger, sondern auch aggressiver als sonst. Dann ist es höchste Zeit, ein geriatrisches Blutbild erstellen zu lassen. Ist der T4Wert erhöht, dann ist klar, dass es sich um eine SDÜ handelt. 

Wie kann die Therapie aussehen?

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten. Die häufigste ist sicher die Gabe von Medikamenten, den Thyreostatika, als Tablette, Lösung zum Eingeben oder Salbe, die im Ohr verrieben wird. Eine andere Möglichkeit ist die chirurgische Entfernung der Schilddrüse – meist angewendet bei bösartigen Tumoren. Hier wird auch die Radiojodtherapie angewendet, bei der der Schnurrerin radioaktives Jod injiziert wird, das die Schilddrüse zerstört.

Pure Lebensfreude oder Überfunktion der Schilddrüse?

Die Schilddrüse liegt bei Katzen unterhalb des Kehlkopfes und besteht aus zwei nicht zusammenhängenden Schilddrüsenlappen. Sie produziert die beiden Hormone T3, das Trijodthyronin und das T4, das Thyroxin. Außerdem wird hier das für den Calciumstoffwechsel wichtige Calcitonin hergestellt – alles das erfüllt wichtige Aufgaben im Stoffwechsel. Bei einer Überfunktion werden Stoffwechselvorgänge Deiner Katze extrem angekurbelt— der Motor läuft ständig auf Hochtouren. Das verbraucht aber enorm viel Energie und belastet auf Dauer alle Organe. Mit einem Auftreten von rund elf Prozent ist die feline Hyperthyreose bei Katzen älter als acht Jahre die häufigste hormonelle Störung.1 

Überfunktion oder Unterfunktion der Schilddrüse?

Es ist interessant zu sehen, dass bei den samtpfotigen Fellträgern fast immer eine Überfunktion der Schilddrüse vorliegt. Die zeichnet sich aus durch ein „zu viel“. Das reicht von Unruhe bis Geschrei, von ständigem Hunger bis Aggression. Bei den bellenden Vierbeinern ist dagegen die Unterfunktion häufiger anzutreffen. Die Hunde werden teilnahmslos, müde und legen an Gewicht zu. Haut- und Fellprobleme kommen dazu. Das fällt vielen Tierbesitzern eher auf als die positiv empfundene Munterkeit ihrer Miezen.  

Gut- oder bösartig?

Rund ein Drittel aller Katzen haben ein Adenom, einen gutartigen Tumor in nur einem Schilddrüsenlappen. Fast 70 Prozent der Tiere zeigen Veränderungen an beiden Schilddrüsenlappen, die sogenannte adenomatös-multinoduläre Hyperplasie. Zum Glück sind Karzinome eher selten: Rund zwei Prozent der Miezen haben einen bösartigen Tumor. 2

Das sind die Symptome einer SDÜ 

Wer von uns freut sich nicht, wenn die geliebte Katze fit und agil ist bis ins Alter? Überhaupt, was heißt hier Alter? Mit zehn ist heute noch keine Samtpfote wirklich alt. Dennoch empfiehlt es sich, beim Tierarzt einmal im Jahr ein geriatrisches Blutbild machen zu lassen, weil dabei auch der Schilddrüsenwert bestimmt wird. Im Blut wird in der Regel der Schilddrüsenhormonwert Thyroxin (T4) ermittelt – und das gibt schon Aufschluss über eine mögliche Überfunktion. Misstrauisch solltest Du aber schon werden, werden, wenn Dir diese Symptome auffallen:

Die zehn häufigsten Anzeichen für eine Schilddrüsenüberfunktion der Katze

* großer Hunger, aber dauerhafte Gewichtsabnahme (Kachexie) 

* gesteigerte Aktivität, Munterkeit bis hin zur Unruhe 

* erhöhte Herzfrequenz oder Rhytmusstörungen (Tachykardie)

* erhöhter Blutdruck (Hypertonie)

* auffällige Aggressivität

* häufiges Vokalisieren, vor allem nachts

* gesteigerter Durst (Polydipsie) und vermehrter Urinabsatz (Polyurie) 

* struppiges, glanzloses Fell und stark wachsende Krallen

* beschleunigte Atmung und Herzschlag 

* Erbrechen und Durchfall

So wird eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert

Der Tierarzt hat verschiedene Möglichkeiten, eine Überfunktion festzustellen. Er kann nach einer Umfangsvermehrung suchen, in dem er Hals und Kehlkopf abtastet. Zuverlässiger ist ein Bluttest, bei dem der Thyroxinwert gemessen wird. Liegt er über dem Referenzwert, ist eine Überfunktion sehr wahrscheinlich. Im Zweifel kann der Wert, der manchmal schwankt, auch nach einiger Zeit noch einmal kontrolliert werden. Die dritte Möglichkeit ist die Szintigraphie.

Bei der Szintigraphie wird in Narkose gemessen, wie stark Bereiche der Schilddrüse Jod aufnehmen und damit in der Lage sind, Schilddrüsenhormone zu produzieren. Der Samtpfote wird intravenös ein radioaktiver Marker verabreicht. Der kann mithilfe einer speziellen Kamera dargestellt werden. Der Arzt kann sehen, wo Tumore liegen und wie groß sie sind. Nach der Untersuchung muss Deine fellige Freundin einen Tag stationär bleiben.

So wirkt sich eine Schilddrüsenüberfunktion auf andere Organe aus

Häufig ist die Rede davon, dass eine Überfunktion der Schilddrüse eine Niereninsuffizienz „maskiert“. Sind die Werte der Schilddrüse wieder im Referenzbereich, kann es sein, dass der Kreatininwert, der die Nierenfunktion anzeigt, nach oben geht. Es macht also Sinn, wenn der Tierart neben einem großen Blutbild auch einen Ultraschall des Herzens oder Bauchraums vornimmt. 

Die Begleiterscheinungen einer Hyperthyreose

Tatsächlich leidet nicht nur die Niere, auch Blaseninfektionen kommen häufiger vor. Vor allem arbeitet der Darm auf Hochtouren – man spricht von Hypermotilität. Futter wird schlecht verdaut, zu wenige Nährstoffe werden aufgenommen. Es kann zu Erbrechen, Verdauungsproblemen und Durchfall kommen. Auch das Herz leidet unter der Überbeanspruchung. Ohne Behandlung kommt zu einer Verdickung des Herzmuskels und Atemnot oder Wassereinlagerungen. 

Die Therapie einer Schilddrüsenüberfunktion

Bestimmt fragt sich jeder Halter, was der Samtpfote helfen kann und was bei den Therapiemöglichkeiten einer Schilddrüsenüberfunktion besser für sie ist. Es gibt derzeit verschiedene Möglichkeiten, die Ausschüttung der Schilddrüsenhormone wieder auf ein Normalmaß zu reduzieren: 

Die drei Möglichkeiten einer Therapie der Schilddrüsenüberfunktion bei der Katze

* Thyreostatika, Medikamente in Tabletten- oder Salbenform oder als Flüssigkeit

* Operative Entfernung der Schilddrüse 

* Radiojodmethode

Sie heißen Carbimazol, Felimazole oder Thyronorm – die bekannten Medikamente, die der Katze helfen, die Schilddrüsen-Hormonproduktion zu unterdrücken. Carbimazol setzt den Wirkstoff Thiamazol im Körper frei. Es hemmt die für die Jodisation zuständige Enzyme und damit die Produktion von T4 und T3. Es wird auch in der Humanmedizin eingesetzt

Felimazole ist ein Medikament speziell für Katzen in Form überzogener Tabletten in unterschiedlicher Dosierung mit dem Wirkstoff Methimazol, einem Synonym von Thiamazol.

Thyronorm enthält Thiamazol in flüssiger Form. Es wird von vielen Miezen leichter akzeptiert als Tabletten, die findige Medikamentenverweigerer ja gerne wieder ausspucken.

Für Samtpfoten, die sowohl bei Tabletten als auch bei Flüssigkeit jede Kooperation verweigern, kann der Veterinär eine spezielle Salbe verordnen. Die musst Du Deiner Katze sorgfältig in die Ohren einmassieren. 3 Thyreostatika müssen lebenslang zuverlässig gegeben werden. 

Die chirurgische Entfernung der Schilddrüse

Als Thyreoidektomie wird die operative Entfernung der Schilddrüse bezeichnet. Bei bösartigen Tumoren, die noch keine Metastasen gebildet haben, bleibt oft keine andere Wahl als die Operation. Der Arzt versucht nach Möglichkeit, die vier Nebenschilddrüsen nicht zu entfernen, da es sonst zu Problemen im Kalziumstoffwechsel kommen kann, eine sogenannte Hypocalzämie. Die Operation kann nur von spezialisierten Chirurgen oder Kliniken vorgenommen werden.

Die Risiken bei einer Operation

Der Bereich, in dem die Schilddrüse liegt, ist von vielen Nerven durchzogen – durch den Eingriff sind Nervenschäden möglich. Wenn die Schilddrüse vollständig entfernt ist, kann es sein, dass Deine Schnurrerin in eine Unterfunktion fällt. Die ist aber weniger gefährlich und kann gut eingestellt werden. Bleibt die Überfunktion nach dem Eingriff bestehen, handelt es sich vermutlich um verlagertes Schilddrüsengewebe im Brustraum, das nicht entfernt werden konnte. 

Nur selten angewendet - die Radiojodtherapie

Ein in Deutschland nur selten eingesetzte Behandlung ist die Radiojodtherapie. Sie gilt zwar als sehr erfolgreich und wenig belastend für die Katze. Aber nur wenige Kliniken bieten sie an, darunter das Klinikum Veterinärmedizin Klinik für Kleintiere der Justus-Liebig-Universität Gießen4 und die Tierklinik Norderstedt 5. Der Grund liegt in den strengen Strahlenschutzbestimmungen. 

Der Katze wird intravenös radioaktives Jod verabreicht, das sich in der Schilddrüse anreichert und Tumorgewebe zerstört. Gesundes Gewebe wird nicht beeinträchtigt. Da die Mieze danach strahlt, muss sie in einem speziellen Strahlenschutzraum zunächst für einige Tage isoliert werden. Auch wenn der Patient wieder Zuhause ist, solltest Du weiter vorsichtig sein. Kinder, Schwangere und Stillende sollten auf jeden Fall noch für zwei Wochen den Kontakt meiden. Eine Kontrolle der Werte bei Deinem Tierarzt ist wichtig. 

Mit dem richtigen Futter unterstützen?

Ja, es gibt tatsächlich jodfreies Katzenfutter wie „Hills Y/d“, sogar als Nassnahrung oder Trockenfutter. Wenn es Wirkung zeigen soll, darf Deine Mieze aber nie mehr etwas anderes fressen. Das mag bei großmütigen Wohnungskatzen angehen. Schwierig wird es bei wählerischen Tieren oder Freigängern, die Beute machen. Dein Tierarzt kann Dich zu dem Thema beraten. Solltest Du barfen, dann verzichte auf Schlundfleisch und Geflügelhälse – und auch Seefisch sollte vom Speiseplan gestrichen werden. 

Eine moderne Katzenkrankheit?

Zum ersten Mal würde die Schilddrüsenüberfunktion um 1980 festgestellt. Es lag nahe, einen Zusammenhang zu industriellem Fertigfutter herzustellen. Womöglich erhöhen im Futter enthaltenes Soja und Seefisch das Risiko einer Überfunktion. Jedenfalls stellte der Japaner Wissenschaftler Hazuki Mizukawa das in einer Studie6 fest. 

Polybromierte Diphenylether (PBDEs) die bis vor einigen Jahren in Elektrogeräten, Möbeln und Textilien als Flammschutz enthalten waren, standen schon im Verdacht als Auslöser, weil sie im Fettgewebe, Serum und Milch nachgewiesen werden konnten. 7 Diskutiert wurde aber auch schon über Antiparasitika oder Zusatzstoffe in der Katzenstreu. Gaz geklärt ist das bis heute nicht. Vermutlich gibt es nicht einen einzigen Auslöser, sondern eine Vielzahl von Faktoren die die Hyperthyreose begünstigen.  

1 Broussard J, Peterson M, Fox P: Changes in clinical and laboratory findings in cats with hyperthyroidism from 1983 to 1993. Am. Vet Med Assoc. 1995: 206(3): 302-5.

2 https://www.med.vetmed.uni-muenchen.de/einrichtungen/innere_medizin/leistungen/endokrinologie/hyperthyreose.pdf

3 Nanocarrier in der Tiermedizin – eine Pilotstudie zur Behandlung der felinen Hyperthyreose mit auf Nanocarriern basierender Thiamazolsalbe D. Böhm, S. Moré, M. Moré2, L. Kloner, M. Volkmann, R. Haag, B. Kohn. Klinik für kleine Haustiere, Freie Universität Berlin; Dendropharm GmbH, Berlin;  Institut für VeterinärEpidemiologie und Biometrie, Freie Universität Berlin;  Institut für Chemie und Biochemie, Freie Universität Berlin, 2020

4 https://www.uni-giessen.de/fbz/fb10/institute_klinikum/klinikum/kleintierklinik/Info/downloads%20info/radiojod

5 https://www.tierklinik-norderstedt.de/leistungen/nuklearmedizin

6 Organohalogen Compounds in Pet Dog and Cat: Do Pets Biotransform Natural Brominated Products in Food to Harmful Hydroxlated Substances? Hazuki Mizukawa, American Chemical Society, 2015

7 Prävalenz und potentielle Risikofaktoren der felinen Hyperthyreose innerhalb einer Klinikpopulation in Süddeutschland: Ines Isabel Köhler, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2016

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