Freigang oder Lockdown für Katzen ?


Eines gleich vorweg: Ich bin bekennender Fan von Freigang für Katzen. Ich sehe und verstehe aber auch, warum Katzenhalter ihre Tiere nicht nach draußen lassen wollen. Das Thema wird seit Ewigkeiten immer wieder diskutiert. Hier noch ein paar Gedanken aus tierpsychologischer Sicht.

In Walldorf, in Baden-Württemberg, gab es ihn, den Lockdown für Katzen. Das Landratsamt hatte ein Ausgangsverbot für die Sommermonate erlassen - für Vogeljäger. Als solche sieht der Landrat die Katzen an. Er will die vom Aussterben bedrohte Haubenlerche schützen. Bis Ende August sollten Katzen nicht mehr nach draußen dürfen. Katzenbesitzern, die sich nicht an den Hausarrest für ihr Tier halten, drohte ein Zwangsgeld von 500 Euro. Und bis zu 50.000 Euro konnten fällig werden, wenn die Katze einen der seltenen Vögel verletzte oder tötete. 

Der örtliche Tierschutzverein wehrte sich juristisch, die Landestierschutzbeauftragte bezog Stellung, die Wogen gingen hoch. Wollen wir etwa nicht seltene Vögel schützen?

Katzen als Vogelmörder?

Immer wieder werden Katzen als Naturschädlinge, insbesondere als Vogelmörder gebrandmarkt. Dieser Vorwurf berücksichtigt nicht, dass der Mensch mit seiner Bebauung so viele Habitate und Lebensraum zerstört, wie es kein Beutegreifer je könnte.

Jedes Brutpaar besetzt eben nur ein Brutrevier - wird das zerstört, wird auch der Bestand dezimiert. Extensive Landwirtschaft, Monokulturen, Gärten des Grauens - das alles sorgt dafür, dass immer mehr Vogelarten von dieser Erde verschwinden. 

Der Spatz vom Wallraffplatz

Ja, Katzen fangen Vögel....und andere Kleintiere, das ist nicht zu bestreiten. Aber wo, wann und wie fangen sie? In unserem Garten leben seit rund 25 Jahren immer Katzen. Und wir haben eine große und reiche Vogelpopulation, Meisen, Amseln, Finken, Kleiber, Tauben, Eichelhäher, Elstern, Spechte - und viele mehr, dazu Eichhörnchen. Warum? Weil wir viele alte Bäume im Garten haben, weil wir nicht jedes Hälmchen mit der Nagelschere schneiden und weil wir so gut wie keine Chemie einsetzen. 

Hier gibt es Lebensraum und Futter - etwas, das sich in betonierten Stadtlandschaften oft nicht mehr findet. Es macht also einen großen Unterschied, wo Katzen leben und jagen. 

Was für ein Tier? Ein Spatz? Den gibt es in Köln schon lange nicht mehr - aber daran tragen die Katzen keine Schuld. Für das Verschwinden der Haussperlinge in Großstädten trägt allein der Mensch die Verantwortung. Für eine differenzierte Betrachtung wäre es also notwendig, genauer die betroffenen Lebensräume von Beute und Beutegreifern zu untersuchen.

Haben Katzen Spaß am Töten?      

Zu den weitverbreiteten Vorurteilen gehört es, dass Katzen ihre Beute gerne und mit Lust quälen. Das ist eine ebenso menschliche wie falsche Vorstellung. Das "Spiel" mit der Beute ist ein Stauungsspiel. Das tun nur Tiere, die lange keine Gelegenheit hatten, ihren Beuteinstinkt auszuleben. Der Trieb zu jagen und zu töten, hat sich gestaut und braucht eine Weile, um ausgelebt zu werden.     

Das sieht für uns unvorstellbar grausam aus, wenn Katzen mit der Beute spielen. Und für das Beutetier ist es das auch. Aber: Eine hungrige Katze wird zuallererst immer sofort den Tötungsbiss ansetzen. Sie hat keine Zeit und Ressourcen, eine Beute womöglich wieder entkommen zu lassen. Nur gut gefütterte Hauskatzen "spielen" mit der Beute und das oft auch, wenn sie schon tot ist. 

Eine Strategie, um den Katzen das Jagen abzugewöhnen, gibt es nicht. Katzen sind Fleischfresser und Jäger.

Der Versuch, den Miezen ein Halsband - womöglich mit Glöckchen anzulegen - schadet der Katze enorm, hilft aber den Vögeln nicht. Denn die Felligen sind Ansitzjäger, keine Hetzjäger. In dem Moment, wo der Sprung erfolgt, klingelt es vielleicht, aber dann ist es zu spät für den Vogel. Die Gefahr, die von Halsbändern ausgeht, ist dafür groß - unzählige Tiere haben sich schon schwerste Verletzungen zugezogen.     


Was also bleibt zu tun, um Vögel zu schützen? 

  • Einen Garten zu schaffen, der für alle Bewohner Lebensraum bietet, für Vögel, Insekten und Katzen. 
  • Alte Bäume und Gehölze stehen lassen
  • Brut- und Nistplätze anbieten und schützen....sodass die Katzen sie nicht erreichen können.     
  • Katzen nicht unbedingt in der Dämmerung rauslassen, wenn die Vögel unterwegs sind        

    

 Freigang Pro oder Contra

Dieses Thema ist so alt, wie Katzen, die in menschlichen Haushalten leben. Und eine einfache Antwort kann und wird es nicht geben. Immer wieder tauchen Berichte über "Studien" auf, die den Einfluss des Beutegreifers Katze auf die Vogelpopulation nachweisen wollen. Man darf sie getrost mit Skepsis betrachten und sich genau ansehen, wo was untersucht wurde. Aber es gibt ja noch andere Argumente gegen den Freigang: Gefahr durch Autos Gefahr durch Gift Gefahr durch Hunde   

Das ist alles nicht von der Hand zu weisen. Vor allem der Verkehr spielt in unseren Städten sicher eine   große Rolle. Dass es reichlich Katzenhasser gibt, die vor Gift nicht zurückschrecken....mag sein. Aber viel wahrscheinlicher ist noch, dass es jede Menge Hobbygärtner gib, die mit giftigen Substanzen düngen, Schnecken beseitigen oder sonstwie der Natur den Garaus bereiten wollen. Mal ganz abgesehen von allerhand schönen, aber ebenso giftigen Pflanzen.
Und wenn Katzenhalter ihre Tiere frei laufen lassen dürfen, müssen Hundehalter das auch können, oder? So manche unvorhergesehene Begegnung mit einem Hund endete schon in Panik und Chaos.

Der Freigang bietet viele Gefahren    

Die Freiheit ist schön, aber gefährlich, keine Frage.  Sicher würden fast ausnahmslos alle Katzen, wenn sie gefragt würden, trotzdem sagen, dass sie stromern möchten. Warum? Weil es ihre Natur ist. Sie können es sich nicht aussuchen. Sie kommen als Fleischfresser auf die Welt. Dazu gehört nun mal das Jagen - wie soll das in der Wohnung gehen?  Bei allen Bemühungen können wir mit Beschäftigung keinen echten Ersatz bieten. Viel zu spielen, ist eine Möglichkeit. Hand aufs Herz: Wer tut das?

Wer sich entschließt, seine Katze indoor zu halten, der muss! ihr auch Beschäftigungsmöglichkeiten geben.     

Ist gesicherter Freigang die Lösung?

Zunächst einmal gibt es keinen gesicherten Freigang - das ist ein Paradoxon. Aber es gibt einen gesicherten Garten oder Auslauf. Wer das hat oder bieten kann, hat etliche Sorgen weniger. Es ist ein Kompromiss, der gut sein kann, wenn dieser Garten für die Miezen genügend Spannendes zu bieten hat.  Dass es immer noch Freigeister gibt, die mit diesen menschlichen Grenzen nichts anfangen können und mit aller Gewalt versuchen, auszubrechen, ist Fakt. 

Und nicht jeder hat die Möglichkeit, seinen Garten in Fort Knox zu verwandeln. 

Letztlich bleibt nur die Abwägung: Welche Katze MUSS unbedingt Freigang genießen, weil sie sonst todunglücklich ist? Welches Tier kommt vielleicht mit einem Freigehege klar? Und wer findet einfach auch nur einen grünen Balkon schön?

Da spielen sicher Alter, Rasse, Charakter, Gesundheit eine Rolle - was für den einen erträglich, ist für den anderen eine Qual.  Und so bleibt, so unbefriedigend das sein mag, keine andere Wahl, als es auszuprobieren. Oder besser gesagt, bei der Wahl eines Tieres schon zu überlegen, ob diese Katze nicht nur hübsch, niedlich und süß ist, sondern auch "wohnungstauglich" und ob man als Mensch dann auch genug Zeit und Engagement aufbringen kann, den Freigang zu ersetzen.              

            

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